DRK Landesschule setzt als erste Lehr-Leitstelle weltweit „EmergencyEye“ ein
Weltpremiere in der Leitstelle an der DRK-Landesschule Pfalzgrafenweiler: Dort wird neuerdings die Software „EmergencyEye“ eingesetzt. Damit ist die mit fünf Arbeitsplätzen ausgestattete Lehr-Leitstelle im Schwarzwald die erste Schule weltweit, die mit diesem modernen System trainiert. In Pfalzgrafenweiler werden Leitstellen-Disponenten für integrierte Leitstellen in ganz Baden-Württemberg ausgebildet.
„Wir setzen die Software ein, weil wir damit erreichen, dass Einsätze noch besser disponiert werden können – also dass schneller Leben gerettet werden können“, sagt Bernd Moser von der DRK-Landesschule, er ist dort Lehrgangsleiter. Die Software „EmergencyEye“ nutzt die technischen Möglichkeiten von Smartphones, über die inzwischen über 60 Prozent aller Notrufe abgesetzt werden: GPS-Koordinaten des Mobiltelefons können übermittelt werden, wodurch der Notfall gut zu orten ist. Außerdem kann man eine Videoverbindung zum Notfall-Ort aufbauen, so dass die Zeugen des Notfalls und der jeweilige Disponent besser kommunizieren und mehr Informationen austauschen können.
Das bedeutet: Disponenten bekommen zusätzliche Informationen und haben somit auch mehr Möglichkeiten, von der Leitstelle aus die Lage einzuschätzen. Das verbessert ihre Reaktionszeit, und die Qualität ihrer Entscheidungen steigt. Vorteile, die sich auswirken: Hilfsfristen sollen so besser eingehalten werden, außerdem kann man die Ressourcen von Rettungsdienst und Feuerwehren besser einteilen.
Weil die Disponenten mehr Einblick in das Geschehen am Notfallort haben, können sie die Ersthelfer besser unterstützen, beispielsweise wenn eine Reanimation nötig wird. „Das beruhigt nicht nur die Helfer, das senkt auch die Stressbelastung der Disponenten“, erklärt Gerhard Maier. Schon bisher waren Reanimationen von Laien dann erfolgreicher, wenn sie telefonisch von den Profis in der Leitstelle unterstützt wurden. „Wir erwarten, dass dies noch besser wird, wenn die Ersthelfer und die Disponenten eine Verbindung mit Bild und Ton haben“, sagt Bernd Moser. „Dadurch sollten wir die Rate der aktiven Reanimationen durch Ersthelfer nochmal deutlich erhöhen können. Und das bedeutet, dass die Überlebenschancen von Menschen mit einem Herz-Kreislauf-Stillstand verbessert werden.“
Für die Premiere von „EmergencyEye“ haben sich zwei Lehrgänge an der Landesschule zusammengetan. Im Hörsaal war gerade eine Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, die an ihren Schulen die Schulsanitätsdienste ausbilden und leiten. Dort wurde mit einer Puppe ein Herzstillstand simuliert. Die Lehrkräfte wurden zu Ersthelfern und setzten den Notruf zur Lehr-Leitstelle ab. Der dort arbeitende Disponent hat den Notruf geortet und den Einsatz disponiert. Über die Videoverbindung leitete er die Ersthelfer an, bis die Rettungskräfte eintrafen, um den Patienten weiter zu versorgen.
Fachkundige Beobachter waren sehr zufrieden. Gerhard Maier ist Lehrkraft an der DRK-Landesschule, er sagte: „Ich fand ‚EmergencyEye‘ leicht zu bedienen und glaube, dass ich die Software auch in der realen Stress-Situation entspannt bedienen kann.“ Olaf Joerdel ist Referatsleiter für die Ehrenamt-Ausbildung beim Landesverband Baden-Württemberg des Technischen Hilfswerk, auch er war gekommen, um die Premiere zu beobachten. „Es ist eine super Sache, dass es hierfür keine App braucht. Es wird die Arbeit der Disponenten auch in solchen Fällen erleichtern, wenn es Sprachbarrieren gibt.“ Bernd Moser ist in Pfalzgrafenweiler verantwortlich für die Ausbildung der Leitstellendisponenten. Sein Fazit: „Wir gehen hier gerade einen großen Schritt. Mit ‚EmergencyEye‘ haben wir eine digitale Innovation zum Anfassen in unsere Lehrleitstelle integriert, die intuitiv und für die Disponenten sicher zu bedienen ist.“
Moser schätzt: „Nach den Erfahrungen der ersten zwei Tage werden wir künftig für ‚EmergencyEye‘ etwa drei Stunden Schulungszeit einplanen müssen.“ Die DRK-Landesschule will nun das Schulungsprogramm für Leitstellendisponenten mitentwickeln, gemeinsam mit dem Hersteller Corevas und im Rahmen der jetzigen Kooperation. Zwei Vertreter des Herstellers Corevas, Richard Weinmann und Frederic Weichel, waren zwei Tage lang in Pfalzgrafenweiler, um die Software zu installieren. Das dauerte an jedem Leitstellen-Arbeitsplatz eine Stunde. Die beiden begleiteten auch die ersten Schulungen beim aktuellen Leitstellendisponenten-Lehrgang. Richard Weinmann sagte anschließend: „Wir freuen uns über die Begeisterung der Disponenten und Ersthelfer. Ihre Ideen und Feedbacks sind für uns wertvoll, die werden wir mitnehmen für die Weiterentwicklung von ‚EmergencyEye‘.“
INFO: Wie „EmergencyEye“ funktioniert
Kommt auf der Leitstelle ein Notruf über die Notrufnummer 112 herein, kann der Disponent mit „EmergencyEye“ per SMS einen Link auf das Smartphone des Anrufers versenden. Indem der Anrufer diesen Link aktiviert, ermöglicht er dem Disponenten den Zugriff aufs Smartphone. Bevor eine Video-Verbindung aufgebaut wird, wird der Anrufer noch einmal deutlich nach seiner Zustimmung gefragt. So sind die Persönlichkeitsrechte gewährleistet. Anschließend sorgt die höchstmögliche Datenverschlüsselung für den Datenschutz. Über einen Datenkanal werden die Geo-Daten und Bilder übertragen. Diese Datenverbindung kann jederzeit auch wieder getrennt werden, ohne dass das ursprüngliche Telefonat über die 112 beeinträchtigt oder unterbrochen wird. Damit die Übertragung eines Videos gelingt, sollte mindestens eine 3G-Verbindung zum Mobilfunknetz bestehen.
INFO: Der Hersteller Corevas
Die Corevas GmbH & CO. KG wurde 2015 von Prof. Dr. med. Günter Huhle und seiner Frau Dipl. Des. Carola Petri gegründet. Ihr Ziel: Produkte und Dienstleistungen zu erfinden, zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen, um Menschen und ihre Gesundheit zu unterstützen. Die Entwicklung von EmergencyEye® wird durch das europäische Netzwerk EIT Health und das Bundeswirtschaftsministerium gefördert und unterstützt.
Ein europaweites Konsortium aus elf Experteneinrichtungen half bei der Entwicklung.