Vom Exoten zum Problemlöser
An der DRK-Landesschule Baden-Württemberg hat der digitale LernCampus derzeit vierstellige Zuwächse – jeden Tag
Anfang April 2020: Ein Team der DRK-Landesschule Baden-Württemberg arbeitet unter Hochdruck. Unterricht und Schulungen übers Internet sind in Zeiten des Coronavirus so gefragt wie noch nie. Derzeit gibt es über 1.000 Neuregistrierungen täglich. Zum Monatswechsel waren es jetzt über 70.000 User – Mitte März noch unter 60.000. „Vor einigen Tagen sind wir auf einen größeren Server umgezogen. Das war dringend, fast schon Rettung in letzter Sekunde“, sagt Martin Ohder, der Abteilungsleiter für Digitale Bildung.
Ressourcen gleich, Abrechnungen später
Was Corona für die Abteilung Digitale Bildung und für das gesamte Fachgebiet bedeutet, hätte vor wenigen Wochen keiner ahnen können. Jetzt ist die Zeit des E-Learnings. Etliche DRK-Schulen aus ganz Deutschland, aber auch andere Bereiche wollen und müssen ihre Arbeit online weitermachen. Derzeit telefoniert das Team der Abteilung Digitale Bildung täglich mit Schulleitern und Geschäftsführern, die dringend Lösungen brauchen, sofort. Um ihren Unterricht fortsetzen zu können, um ihre Teams schulen zu können, um wichtige Inhalte transportieren zu können in Zeiten, in denen man sich nicht mehr trifft oder versammelt. Außerdem geht es um Lernangebote für Leute, die daheim sitzen. „Machen wir alles möglich, so gut wir können“, sagt Martin Ohder. „Wir stellen schnell und unbürokratisch die Ressourcen zur Verfügung. Um solche Dinge wie Verträge und Abrechnungen kümmern wir uns später, das ist jetzt einfach nicht so wichtig.“
Was wichtig ist: den Kampf gegen Corona unterstützen. „Wir haben im Zuge von Corona ein Modul entwickelt, in dem es um Infektionsvorbeugung für die Helferinnen und Helfer geht. Darin werden Handhygiene und Händedesinfektion erklärt, Schutzkleidung und alles, was man über die Infektions-Prophylaxe wissen muss.“ Dieses Infektionsschutz-Modul kommt an: Immer mehr Verbände schreiben inzwischen vor, dass das jede und jeder absolviert haben muss, bevor sie oder er bei einem Einsatz mitarbeitet. Das Team der DRK-Landesschule hat das Modul Anfang März selbst entwickelt und produziert, seither wird es gratis zur Verfügung gestellt. Seit Ende März steht außerdem ein Erklärfilm zum Selbernähen von Masken online.
Unterricht lückenlos fortgesetzt
Ebenso wichtig ist es jetzt, dafür zu sorgen, dass das Virus keinen Stillstand auslöst, der weitere Probleme verursacht. Die Notfallsanitäter-Ausbildung ist ein gutes Beispiel, denn der Nachwuchs wird dringend gebraucht. Seit 16. März ist kein Unterricht mehr an den elf Standorten der DRK-Landesschule Baden-Württemberg. Die Klassen konnten trotzdem lückenlos weiter unterrichtet werden – online. „Die Online-Betreuung der Schülerinnen und Schüler funktioniert besser als erwartet, ebenso die Nutzung der virtuellen Klassenzimmer“, sagt Gesamtschulleiter Rico Kuhnke. „Wohl auch, weil das für uns gar nicht so neu ist: Schon seit über zwei Jahren nutzen unsere Lehrkräfte regelmäßig Onlinemedien. Diese sind inzwischen ein fester Bestandteil in der Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern.“
Martin Ohder berichtet: „Auch die Schülerinnen und Schüler reagieren richtig positiv. Sie erleben das Homeschooling als sehr intensiv, sie werden gefordert. Das ist selbstorganisiertes Lernen, wie es in der Notfallsanitäter-Ausbildung ja auch vorgesehen ist.“ Der Unterricht im Netz ist langfristig gesichert: Für die DRK-Landesschule Baden-Württemberg hält die Plattform 50 Online-Meetingräume bereit, die parallel genutzt werden können. Das wird auch dann reichen, wenn viele Klassen parallel im Schulblock sind.
Corona bringt Digitalisierung voran
Der Ansturm auf das Team der Abteilung Digitale Bildung wird noch weitergehen. Immer mehr Anbieter suchen dringend Möglichkeiten, um jetzt digital schulen und unterrichten zu können. Hinzu kommen Anfragen der Bundesebene des Roten Kreuzes, bei denen es um die Entwicklung von Inhalten geht.
Seit Corona die Nachfrage so explodieren ließ, arbeitet das Team Digitale Bildung fast rund um die Uhr. Es habe tolle Unterstützung bekommen, berichtet Ohder: Die Lehrkräfte der Landesschule liefern derzeit die Inhalte zu. Kolleginnen und Kollegen aus der Verwaltung haben Aufgaben übernommen und springen mit ein. „Wir machen viele Sonderschichten, aber es ist eine positive Belastung“, sagt er. „Ich bin sehr dankbar, dass alle so wunderbar mitziehen. Das ist schon eine Nummer gerade.“ Es gibt bereits Pläne, wie das Angebot noch weiter ausgebaut werden kann. „Eins ist klar“, sagt Martin Ohder. „Durch Corona ist die Digitalisierungswelle jetzt vollständig angekommen.“
Das war so nicht absehbar. 2015 hat alles eher klein angefangen. Mit ein paar digitalen Lösungen für die DRK-Landesverbände Baden und Württemberg: Die beiden Landesverbände haben damals beschlossen, dass es eine Lernplattform geben soll. Der Schwerpunkt damals war Material für die Weiterqualifizierung, damit Rettungsassistenten die Ergänzungsprüfungen zum Notfallsanitäter machen können. Alle Kreisverbände haben sich an der Finanzierung beteiligt und konnten die Plattform nutzen. Ab 2016 gab es die ersten Kurse.
Seit 2018 bundesweit
Nach und nach hat das Digital-Team seine Angebote ausgebaut. Zuerst waren es eher Exoten-Themen, „da ging es für viele auch um Vereinfachung und Entlastung und darum, Kosten und Ressourcen zu sparen“, erinnert sich Martin Ohder. Damals zählte man etwa 7.000 Nutzer.
Im Jahr 2018 kam der erste bundesweite Auftrag: Im Zuge der DSGVO, der neuen Datenschutzgrundverordnung, musste jede und jeder beim DRK eine Einweisung absolvieren. Das war das erste Mal, dass alle Landesverbände die Lernplattform der DRK-Landesschule Baden-Württemberg nutzten. Dies brachte einen enormen Zuwachs an Usern, das Team der Landesschule musste sich organisatorisch umstellen.
„Wir brauchten Kapazitäten, vor allem Server und Support. Wir brauchten mehr Leute und ein gutes Lenkungssystem für Supportanfragen. Schließlich ging es darum, die relativ großen Mengen an Menschen zu betreuen, wenn sie Rückfragen haben. Wir haben damals eine neue Infrastruktur ausgebaut.“ Das ist im Prinzip die Struktur, mit der das Team jetzt auch ins Jahr 2020 gestartet ist: acht hauptberufliche, festangestellte Kräfte. Das Team erstellt im Regelbetrieb alle Inhalte selbst, macht Videoclips, Grafiken, Animationen, „wir müssen nichts einkaufen“, sagt Martin Ohder.
Angebote für viele Fachgebiete
Das Angebot geht heute über den Bereich Rettungsdienst hinaus. So werden beispielsweise Einführungen angeboten für Helfende im Hausnotruf. Für den Bereich Pflege gibt es eine Reihe über die Expertenstandards. Im Bereich Blutspende findet sich ein Modul „Einführung in die Spender-Erfassung“. Insgesamt sind aktuell rund 90 verschiedene, video-basierte Online-Kurse verfügbar. Im ersten Quartal wurden etwa 80.000 Online-Kurse bearbeitet.
„Spätestens mit Corona sind wir angekommen in der Phase, in der digitale Schulungen nicht mehr nur Pflichterfüllung sind wie damals bei der DSGVO“, sagt Martin Ohder. „Es geht nun um etwas: um prüfungsrelevante Themen im Homeschooling. Oder um lebensrettendes Wissen, indem man lernt, sich vor einer Infektion zu schützen. Der Output muss stimmen. Was wir jetzt über die digitalen Kanäle liefern, sind Lernfundamente, etwas, wovon man einen echten Lernzuwachs hat.“ Auch das ist eine Auswirkung des Coronavirus: Die Digitalisierung des Lernens kommt mit riesengroßen Schritten voran.
Hier gibt es mehr Infos: www.drk-lerncampus.de